Jens Drolshammer ist seit dem Sommersemster 2009 an der Universität St. Gallen emeritiert. Er lehrte dort über 30 Jahre als Titualprofessor für anglo-amerikanisches Recht und Rechtsgeschäftsplanung und -gestaltung. Er war Kommissionspräsident, Mitbegründer und Dozent des Nachdiplomstudiums „Executive Master of European and International Business Law, M.B.L.- HSG“ und Dozent im Master of International Management Doktorandenprogramm, einem Studium, das ausschliesslich in englischer Sprache gelehrt wurde.
Die Wahrnehmung von Einladungen beschränkt an amerikanischen Law Schools zu lehren war aus familiären Gründen nicht möglich. Im Sommersemester 2007 lehrte er in einem interuniversitären Seminar auch an der Universität Zürich. Die letzte Lehrveranstaltung hielt er über The new International Lawyer, wie in der Essaysammlung A Timely Turn to the Lawyer? Globalisierung und die Anglo-Amerikanisierung von Recht und Rechtsberufen – Essays. Es mag sein, dass er in Zukunft zuweilen im Ausland in speziellen Seminaren und in Coteaching für den Bereich des new International Lawyer wieder lehren wird. Diese Lehrveranstaltungen dienen als Bespiele der langjährigen Lehrtätigkeit.
Mein Credo
Ich habe während Jahren nebenamtlich und neben meinem Hauptberuf Rechtsanwalt in einer grossen Wirtschaftskanzlei in Zürich im Wesentlichen versucht, Belange der gehobenen Praxis mit speziellen didaktischen Methoden in eine moderne Wirtschaftsuniversität hineinzutragen. Ich habe immer noch einen Schwerpunkt im Bereiche der „Amerikanischen Rechtskultur“.
Leitzitat
Als Leitzitat dieser Tätigkeit verweise ich auf ein Zitat von Alfred North Whitehead über das Lehren an Universitäten:
„What the faculty was to cultivate is activity in the presence of knowledge. What the students have to learn is activity in the presence of knowledge.
This discussion rejects the doctrine that students should first learn passively, and then, having learned, should apply knowledge. It is a psychological error. In the process of learning there should be present, in some sense or other, a subordinate activity of application. In fact, the applications are part of the knowledge. For the very meaning of the things known is wrapped up in their relationship beyond themselves. This unapplied knowledge is knowledge shorn of its meaning.
The careful shielding of a university from the activities of the world around us is the best way to chill interest and to defeat progress. Celibacy does not suit a university. It must make itself with action“.
Alfred North Whitehead (1947)
Lehrveranstaltungen
Als Beispiele dienen die Detailprogramme der Lehrveranstaltungen der letzten Semesters. Dazu gehören ein interuniversitäres und interdisziplinäres Seminar für Obersemestrige und Doktoranden über das Zusammenwirken von Recht und Ökonomie bei der Entstehung, bei der Anwendung und vor der Revision eines Gesetzes, die interdisziplinäre Sonderlehrveranstaltung „American Legal Culture“ mit dem Titel „Attack on America: The Consequences – from a Legal Perspective – The Role of Law, Lawyers and Law Enforcement in Times of Crisis“ aus dem Wintersemester 2001/2002, das Programm des Seminares „Professional Service Firms“ des Master of International Management im Sommersemester 2002 und die Lehrveranstaltung im Wintersemester 2002/2003 „Attack on America: The Consequences of 9/11 from a Legal Perspective, the Role of Law, Lawyers and Law Enforcement in Times of Crises – ein Jahr danach – Beobachtungen und Reflexionen“ die Lehrveranstaltung „Legal Reasoning“ im Wintersemester 2005/2006, sowie im Wintersemester 2006/2007, die Lehrveranstaltung „Amerikanische Rechtskultur aus europäischer Sicht – Ein Umgang durch die Geschichte des amerikanischen Rechts anhand des Buches von Prof. Alan M. Dershowitz, America on Trial, Inside the legal battles that transformed our nation“ im Sommersemester 2006 und das Seminar „Amerikanische Rechtskultur aus europäischer Sicht – Umgang mit der Rechtskultur der USA durch Leiter von Rechtsabteilungen multinationaler Unternehmen, durch international tätige Rechtsanwälte, durch schweizerische Verwaltungs- und Regulierungsbehörden sowie durch Gerichte in der Schweiz und in Europa“ im Sommersemester 2007. Ausserdem ist für das Frühjahr ein Seimar mit dem Titel „The Canon of American Legal Thought“ geplant.
Law In Action
Die Lehrveranstaltungen orientierten sich in bezug auf den Umgang mit dem zeitlichen Verlauf und der Dynamik des Entstehens von rechtlichen Issues in der Regel an einer Sichtweise des „Law in Action“. Diese Unterrichtsform liess sich von der Erkenntnis leiten, dass sich eine Erfolg versprechende Lehr- und Lernmethode – besonders in den höheren Semestern – an der komplexen Wirklichkeit und deren dynamischen Veränderung auf der Zeitachse orientieren kann. Sollte dieser Unterricht realitätsnah erfolgen, darf die Schaffung interdisziplinärer Bezüge nicht durch eine dogmatische „Schubladisierung“ und Klassifikation rechtlicher Fragestellungen gemäss Lehrbuch behindert werden.
Ziel entsprechender Seminarveranstaltungen war es, die Studierenden möglichst realitätsnah und interaktiv mit den sich tatsächlich stellenden Rechtsfragen und den im Umfeld damit zwingend verbundenen interdisziplinären Bezügen zu konfrontieren. Im ständigen Dialog mit den Dozenten und – nach Möglichkeit – unter Beizug von Experten aus Theorie und Praxis sollte die Seminarteilnehmer zum eigenständigen Arbeiten motiviert und in die Lage versetzt werden, komplexe Rechtsprobleme mindestens zu erkennen und einzuordnen.
Da es bei dieser Lehrform – vor allem aus Gründen der Zeit und der Komplexität – primär um ein vernetztes und ganzheitliches „Issue Spotting“, und nicht um die vertiefte und abschliessende Behandlung von Themen ging, waren die Adressaten der „Law in Action“-Lehrveranstaltungen in der Regel vorzugsweise Studierende höherer Semester oder Graduierte, die aus verschiedenen Fakultäten stammen und sich die Kenntnis der notwendigen Grundbegriffe und Grundlagen bereits in traditionellen Lehrveranstaltungen angeeignet haben.
Lehrmethode
Die angewendete Lehrmethode ist eine Variation und Weiterentwicklung der durch den Dozenten im Bereich der Rechtsgeschäftsplanung und -gestaltung verwendeten sogenannten transaktionalen Lehrmethode, in der er unter Beizug von Originalakteuren und Originalakten reale Transaktionen – unmittelbar nach Abschluss oder während der Gestaltung – entlang der Zeitachse nachvollzog.
Eine solche Lehrveranstaltung wählt ein grundlegend anderes und dem dogmatischen Verständnis komplementäres Prinzip der Stoffvermittlung für die Ausbildung aus, das von der zu erfassenden und zu gestaltenden Wirklichkeit ausgeht und Wissen nach den von Rechtsgebieten in der Regel unabhängigen Problemfeldern gliedert und gleichzeitig auch den Prozess der konkreten Planung und Gestaltung der Rechtswirklichkeit anhand eines wirklichen Geschehens in das Lehren einbezieht.
Im Zentrum steht bei diesem Einsatz die Einführung eines anderen Wirklichkeits- und auch Berufsbildbezuges und die durch in der Wirklichkeit der Transaktion vollzogene Ganzheitlichkeit und Interdisziplinarität in den obersemestrigen Lehrbetrieb. Diese Lehrformen habe ich in den Publikationen „Der Rechtsanwalt als Hochschullehrer?“, (Chapters in Books) „Ein didaktisches Experiment an der Universität St. Gallen und ein Plädoyer für eine transaktionale Lehrmethode im modernen Wirtschaftsrecht“, „Internationalisierung der Rechtsausbildung und Forschung – eine Agenda für die interdisziplinär ausgerichtete Ausbildung zum im Wirtschaft und Management tätigen International Lawyer“, „The Effects of Globalization on Legal Education“, und mit Peter Murray „The Education and Training of a New International Lawyer“ dargestellt.
Die letzte Lehrveranstaltung im Frühlingssemester 2009 wurde aufgrund der grossen Essaysammlung A Timely Turn to the Lawyer? Globalisierung und die Anglo-Amerikanisierung von Recht und Rechtsberufen – Essays durchgeführt. Die Abschiedsvorlesung vom 14. Mai 2009 widmet sich dem gleichen Thema. Sie hatte den Titel The Global Groove of the Harvard Yard – Persönliches zur Person in der „Globalisierung und die Anglo-Amerikanisierung von Recht und Rechtsberufen“
Cutting the Pie
In Anbetracht der beabsichtigten Fortführung der Forschungs- und Publikationstätigkeit nach dem Fellowship an der Harvard Law School im Jahre 1999, die sich im wesentlichen mit Auswirkungen der Globalisierung auf Rechtssysteme, Rechtsberufe, Professional Service Firms und der Rechtsausbildungen befasste, wird auch die Lehrtätigkeit im Bereich der „American Legal Culture“ auf diese Felder ausgerichtet. Ich plane, im Rahmen der grossen Studienreform der Universität St. Gallen in den nächsten Jahren aufgrund des verstärkten Amerikabezuges die Kolloquien „American Legal Culture“ fortzuführen und dabei eine spezifisch transatlantische Perspektive einzubringen.
Ich möchte die Idee des „Virtual Classrooms“ in diesem Zusammenhang ausbauen und in naher Zukunft in einer transatlantischen Lehrveranstaltung über Video Conferencing ebenfalls mit amerikanischen Kollegen und Studenten zusammenarbeiten. Bei guter Gelegenheit werde ich wiederum in einer transaktionalen Lehrveranstaltung im Co-Teaching und unter Beizug der Originalakteure und Originalakten eine komplexe Transaktion durchführen.
Ich werde in nächster Zukunft weiterhin versuchen, im Rahmen der mir selbst auferlegten zeitlichen Schranken für das Lehren didaktisch zu experimentieren, wozu vor allem die Ausnützung von Möglichkeiten neuer Medien gehören, wie zum Beispiel „Virtual Classrooms“, Video Conferencing und „Distance Learning“.
Da die Beratungs- und Publikationstätigkeiten in den nächsten Jahren Priorität haben werden, werden alle Lehrveranstaltungen sach- und zeitgerecht verblockt durchgeführt, damit möglichst wenige Friktionen entstehen. Die Idee des „Virtual Classrooms“ und die Fortführung der Idee des „Lehrens vor Ort“, d.h. Teil eines Seminarraumes an der Susenbergstrasse, mögen dabei ebenfalls hilfreich sein.
Im übrigen habe ich vorwiegend die Absicht zu lesen und wieder einmal selbst zu lernen und die Ergebnisse dann in die Forschungs- und Publikationsprojekte „The Global Lawyer“, „Law and Innovation“ und „The Role of the Corporate Sector in International Governance“ und „Konzept und Konturen eines schweizerisch amerikanischen Kulturaustausches“einzubringen. Das Gleiche gilt für die theoretischen Arbeiten, die eher dem Bereich „Expertenwissen“ und „Angewandte Forschung“ zuzuordnenden sind, wie „Strategie und Recht“, „Strategische Rechtsberatung“, „Issue Management“, „Recht und Kommunikation“ und „Recht und Reputation“.
Um die mehrjährige konsularische und publizistische Tätigkeit im Bereiche der Professional Service Firm auch höher semestrigen Studenten auf beiden Seiten des Ozeans zugänglich zu machen, arbeite ich in diesem Jahr an einem ausgedehnten Konzept für eine Lehrveranstaltung „The Changing Legal Professions – From an International Perspective“. Die Pläne zur Generierung von Expertenwissen als kommerzielle Dienstleitung, in der eine moderierende und facilitierende Lehrtätigkeit im Vordergrund steht, sind eher der zukünftigen Beratungstätigkeit als der Hochschultätigkeit zuzuordnen. Time will tell.
Da das Lehren nach der Emeritierung in den Hintergrund gerückt ist, wird Jens Drolshammer in diesem Bereich gelegentliche Forschungsprojekte mit Kollegen durchführen und sich vermehrt seinen Interessen im Bereich der Musik und der Kunst widmen. Falls ein ihm passendes Projekt vorhanden ist, will er wieder regelmässig an die Harvard Law School gehen als senior fellow und visiting researcher und als Student der Longy School of Music.