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Im The Salon betreiben wir auf Initiative von Jens Drolshammer einen wissenschaftlichen Leseclub.
Die Teilnehmer sind Prof. Dr. Dr. h.c mult. Bruno Frey (ökonom), Prof. Gerd Folkers (Pharmazeut), Prof. Dr. Peter Nobel (Jurist), Prof. Dr. Reiner Eichenberger (ökonom) und Prof. Dr. Jens Drolshammer (Jurist).
Das Leitmotiv ist der nachfolgende von Marc Amstutz (ursprüngliches Mitglied) speziell für diesen Anlass redigierte Text.
The Salon: Warum Theorie?
Welche Farbe hat Theorie? – eine oft anzutreffende Frage. Wenn wir sie hier aufgreifen, so nicht um eine ohnehin unmögliche Antwort zu versuchen. Uns interessieren die Assoziationen, die die Frage weckt. Goethes berühmter Satz: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie; und grün des Lebens goldner Baum“, spricht für ein verbreitetes Empfinden: Theorie nicht als aufhellendes Aufklären, sondern als verdunkelndes Eintrüben. Oder: Was das Leben wirklich farbig macht, entgeht der Theorie.
Gegen ein solches Theorie-Verständnis muss man sich wehren (und gerade dies beabsichtigt „The Salon“ im interdisziplinären Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften). Theorie betreiben heisst im Kern: die eigenen Annahmen über den Reflexionsgegenstand zu hinterfragen. Entgegen seiner altgriechischen Abstammung (theôreîn: beobachten, betrachten, schauen) meinen wir, dass Theorie nicht Betrachtung der Dinge durch reines Denken ist, unabhängig von ihrer Nutzbarmachung. Vielmehr verstehen wir Theorie als soziales Handeln. Und zwar soziales Handeln als Gestalten von gesellschaftlicher Wirklichkeit. So folgen wir Luhmann, der der Theorie die Funktion zuspricht, das Umfeld zu „ent-decken“, in dem wir uns bewegen: „Theorien gewinnen ihre eigene Einheit und Unterschiedenheit nicht etwa aufgrund eines entsprechenden Eingeteiltseins der Aussenwelt. Nicht der Gegenstand garantiert die Einheit der Theorie, sondern die Theorie die Einheit des Gegenstandes … Es gibt natürlich Aussenwelt, aber schon die Form der Einheit und Unterschiedenheit, in der sie gegeben ist, verdankt sie … [theoretischer] Konstruktion“). Erst durch Theorie wird mithin in Worten fassbar, was wir tun, was wir machen, was wir sind (oder eben auch: was wir nicht sind). Und das heisst: wie wir unser Wissen – und damit letztlich: unsere Gesellschaft – organisieren.
Eine Dominanz der Theorie über die Praxis wird damit freilich nicht behauptet. Ganz im Gegenteil. Theorie und Praxis stehen zueinander in einem Verhältnis der „konstruktiven Distanz„: „Damit es zu keinem blossen Nebeneinander kommt, sind Einmischungen erforderlich, Einmischungen freilich, die das Andere als Anderes und wiederum doch auch nicht akzeptieren“ (Schandl). Theorie soll genau das leisten: sich in die Praxis „einmischen“, und dies mit dem Ziel, Widerspruch fruchtbar werden zu lassen. Nur dadurch kann sie ihre Selbständigkeit gewinnen, die auch (und zumal) der Praxis nutzt. Ganz in diesem Sinne schreibt Adorno in seiner „Negativen Dialektik“: „Die Forderung der Einheit von Praxis und Theorie hat unaufhaltsam diese zur Dienerin erniedrigt; das an ihr beseitigt, was sie in jener Einheit hätte leisten sollen. Der praktische Sichtvermerk, den man aller Theorie abverlangt, wurde zum Zensurstempel. Indem aber in der berühmten Theorie-Praxis, jene unterlag, wurde diese begriffslos, ein Stück der Politik, aus der sie hinausführen sollte; ausgeliefert der Macht. Die Liquidation der Theorie durch Dogmatisierung und Denkverbot trug zur schlechten Praxis bei; dass Theorie ihre Selbständigkeit zurückgewinnt, ist das Interesse von Praxis selber“.
Dieser Herausforderung stellt sich „The Salon“: Durch Theoretisieren sich in die Praxis „einmischen“, um just dadurch der Theorie zu erlauben, zu ihrer Selbständigkeit zurückzufinden. Dass der gewählte Zeitpunkt opportun ist, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Schweiz heute ganz spürbar an einem Theorie-Defizit leidet. „Muddling-through“ (oder schlicht und einfach: brutales Improvisieren) scheint sich nicht nur in Politik und Wirtschaft zu einer Realität gemausert zu haben, sondern auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften, um die es in den letzten Jahren seltsam ruhig geworden ist (man konsultiere nur den SNF-Jahresbericht 2003: 82% der zugesprochenen Beiträge gehen an die Biologie, Medizin, Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften; 18% an die Geistes- und Sozialwissenschaften!). Indem „The Salon“ die jüngeren und jüngsten Suchbewegungen der Theorie in den Gesellschaftswissenschaften beobachtet, debattiert und „praktisch“ in Kontext stellt, soll ein Beitrag dazu geleistet werden, dass Theorie sich in der Schweiz (wieder?) farbenreich, poppig, „multicolore“ und vor allem: „konstruktiv widersprechend„, anfühlt. (7.7.04)
Organisation:
Jeder Teilnehmer hat im Turnus ein Vorschlagsrecht zur Bestimmung der zu lesenden Bücher oder Texte und sorgt für die zeitgerechte Verteilung.
Die Disputanten treffen sich viermal im Jahr im The Salon. Wir pflegen den interdisziplinären Diskurs und tauschen uns gegenseitig über unsere Tätigkeiten aus. Wir besprechen gemäss einem bestimmten Vorbereitungsmodus jeweils ein Buch oder einen Text und diskutieren mit verteilten Rollen. Anschliessend führen wir das Gespräch am Aperitif und Nachtessen fort. Wir machen dabei auch die Hinweise auf die jeweiligen aktuellen Tätigkeiten und beantworten Fragen aus den den anderen unvertrauteren Lebens- und Berufsumständen.
Die gelesenen Texte und Bücher:
Bis 2009 besprachen wir Richard A. Posner, Frontiers of legal Theory (2001), Klaus Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit? Auf der Suche nach den philosophischen Grundlagen der ökonomischen Analyse des Rechts (2004), Douglass C. North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance (1990), Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, zweite erweiterte Auflage (1996), Albert O. Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty – Responses to Decline in Firms, Organizations, and States (1970), Leo Strauss, Natural Right and History (1950), Bruno S. Frey, Arts & Economics, Analysis & Cultural Policy (Second Edition, 2003), Gunther Teubner, Recht als autopoietisches System, (1989), Christoph Engel/Jost Halfmann/Martin Schulte (Hrsg.), Wissen – Nichtwissen – unsicheres Wissen (2002) und Bruno S. Frey, ökonomie ist Sozialwissenschaft, Die Anwendung der ökonomie auf neue Gebiete (1990).
Am 23. August 2007 haben wir den Text, der in der Rabels Zeitschrift erscheinen wird: Kristoffel Grechenig/Martin Gelter, Divergente Evolution des Rechtsdenkens? Von amerikanischer Rechtsökonomie und deutscher Dogmatik besprochen.
Am 11.Dezember 2007 besprechen wir den philosophischen Essay „On Bullshit von Harry G. Frankfurt.
Am 23. Juni 2008 besprachen wir von Michel Foucault „die Geburt der Biopolitik, Geschichte der Gouvernementalität II“.
Am 1. September 2008 besprachen wir eine Biografie von Joseph Schumpeter von Thomas K. McCraw mit dem Titel „Prophet of Innovation, Joseph Schumpeter and Creative Destruction“
Am 26. November 2008 besprachen wir Law & Capitalism: What Corporate Crises Reveal about Legal Systems and Economic Development around the World von Curtis J. Milhaupt and Katharina Pistor.
Am 11. März 2009 werden wir die Max Weber-Biografie von Joachim Radkau mit dem Titel „Die Leidenschaft des Denkens“ besprechen.
Der wissenschaftliche Leseclub hat bis heute 2018 über 50 Bücher besprochen. Das Verzeichnis der Bücher ist für diese Webseite zu umfangreich.
Die Anlässe sind privat und alle Aussagen off the record und vertraulich